Bad Pyrmont

Karlchen

Tierpark Bad Pyrmont vor dem Aus? 

 

Was geschieht mit den Tieren?

  

Im Jahre 1962 richtete sich der Bad Pyrmonter Autohändler Otto Busch auf einem freien Gelände neben seiner Reparaturwerkstatt einen privaten Vogel- und Blumenpark ein, den er gegen Entgelt auch der Öffentlichkeit zugängig machte. Schnell wurde der Park, den Busch 1964 um einige Tiergehege und eine Minigolfanlage erweiterte, zu einer Attraktion der nahe Paderborn gelegenen Kurstadt.

 

Nach dem Verkauf des Parks Anfang der 1970er und nachfolgend mehreren Pächterwechseln stand die Anlage Anfang der 1980er knapp davor, wegen Unrentabilität geschlossen zu werden. Nach erneuten Pächterwechseln ging es wieder etwas aufwärts, ab 2008 wurde der Park einer Generalinstandsetzung unterzogen. Gleichwohl die Anlage seit je in Privatbesitz steht, wurde und wird sie in nicht unerheblicher Höhe aus Steuergeldern subventioniert.

 

Heute sind auf dem Areal von knapp drei Hektar 450 Tiere aus 70 Arten untergebracht, darunter mehrere Löwen, Leoparden, Ozelots und Panther, auch Kragenbären, Gibbons und eine Vielzahl weiterer Exoten. Seit je werden auch Schimpansen vorgehalten, derzeit zwei Tiere. Für Kinder wurden mehrere Spielplätze (out-/indoor) eingerichtet, auch Autoscooter, eine Parkeisenbahn, ein Streichelzoo sowie ein “Minibauernhof“ mit sogenannten Nutztieren. In einer eigenen Zooschule wird Unterricht für Kinder jeder Altersstufe angeboten, selbstredend werden auch Kindergeburtstage und sonstige Feiern ausgerichtet. In einer ständigen Ausstellung - untergebracht in den Räumen der Zooschule - werden ausgestopfte Tiere gezeigt.

 

Der Park ist Mitglied der Deutschen Tierparkgesellschaft e.V. (DTG) und Kooperationspartner eines Vereins für Tier- und Artenschutz Bad Pyrmont e.V. Laut Angaben der Parkleitung liegen die Besucherzahlen bei knapp 50.000 pro Jahr.

 

Ursprünglich scheint der Park mit der Pedanterie eines Hobbytüftlers entworfen worden zu sein: Wegeführung, Bepflanzung und Bestückung mit.Tierkäfigen erinnern an eine etwas überdimensionierte Modellbauanlage im Zeitgeist der 1960er. Gleichwohl steht das müffelnde Spießertum, das das Areal durchzieht, in merkwürdigem Kontrast zum ungepflegten Zustand, in dem Teile der Käfiganlagen sich befinden; ganz abgesehen von den teils indiskutablen Käfig- und Gehegegrößen, die keiner Haltungsrichtlinie entsprechen. Von den Renovierungsarbeiten, die seit 2008 durchgeführt worden sein sollen, ist wenig zu erkennen (man mag sich nicht vorstellen, wie der Park und die Gehege davor ausgesehen haben).

Charley

Die derzeit von zwei Tieren bewohnte Schimpansenanlage – dem Vernehmen nach war sie zu Zeiten sogar mit drei Tieren belegt - zählt zu den übelsten ihrer Art in Deutschland. Das in einem heruntergekommenen Betonkasten befindliche „Innengehege“, in dem die Tiere die meiste Zeit des Jahres zubringen, weist eine Grundfläche von gerade einmal 20qm und eine Höhe von etwa 3m auf. Es ist nach allen Seiten hin verfliest, die Sichtscheibe - ein Betreten des Gebäudes ist für Besucher nicht möglich - ist so zerkratzt und verdreckt, dass ein Blick ins Innere (und von innen heraus) kaum möglich ist. Eine nennenswerte Einrichtung gibt es nicht.

 

Das angrenzende „Außengehege“ besteht aus einem etwa 50qm großen Gitterkäfig, der zur Hälfte mit Plastikwellblech überdacht ist. Der Betonboden ist besandet und mit ein paar Totholzstämmen bestückt, dazu gibt es Kletterseile und eine Hängematte. Außer einem ausrangierten Autoreifen steht den Tieren keinerlei Spiel- oder Beschäftigungsmaterial zur Verfügung.

 

Die beiden Schimpansen zeigen auffällige Symptome psychischer Störungen. Zudem sind sie heillos übergewichtig, da sie keine ausreichenden Bewegungsmöglichkeiten haben und ihnen zudem von Besuchern ständig irgendwelche Süßigkeiten zugesteckt werden. (Vor dem Hintergrund anhaltender Kritik an der Schimpansenhaltung sah die Zooleitung sich bemüßigt, ein Hinweisschild anzubringen, auf dem sie bestätigt, dass die Gehege nach heutigen Maßstäben nicht mehr artgerecht seien, die Tiere aber ihren „Lebensabend darin verbringen dürfen“. Nach dem Tod der beiden Schimpansen soll die Menschenaffenhaltung eingestellt werden. Auf die Idee, den Tieren ihr verbleibendes Leben so lebenswert zu gestalten wie nur möglich ist, kommt die Zooleitung nicht.)

 

Der Tierpark Bad Pyrmont versteht sich besonders dem Artenschutz verpflichtet. Die werbewirksam vorgetragene Behauptung, man strebe in Zusammenarbeit mit der Deutschen Tierparkgesellschaft „eine langfristige Projektunterstützung an“, erweist sich bei Lichte besehen als reine Farce: außer der simplen Zurschaustellung einiger bedrohter Tierarten – Lisztaffen, Siamangs, Kattas etc. – ist keinerlei artenschützerische Aktivität ersichtlich (ganz abgesehen davon, dass nicht „Arten“ ausgestellt werden, sondern leidensfähige Individuen). Auch die Behauptung des aus dem Zoo heraus betriebenen Vereins für Tier- und Artenschutz Bad Pyrmont e.V. – offenkundig ein reiner Spendensammel- und Gewerbesteuerumgehungsverein, dessen Vorsitzende die Ehefrau des Parkpächters ist -, man plane aus Vereinsmitteln den „Bau von artgerechten Gehegen und Unterbringungsmöglichkeiten“, ist angesichts der seit Jahrzehnten unbehobenen Missstände des Zoos als Farce zu werten. (Der Verein wurde bereits 1999 gegründet, in formaler Fortführung eines seit 1984 bestehenden Förderkreises.)

 

Mitte August 2012 wurden dem derzeitigen Pächter Teile des Zooareals – u.a. der komplette Eingangs- und Klassenbereich – zum 1. Oktober 2013 gekündigt. Ob und wie der Zoo über diesen Zeitpunkt hinaus Bestand haben wird, und was im Falle einer Schließung mit den 450 Tieren geschehen soll, ist völlig offen. Einen Notfallplan gibt es ersichtlich nicht. 

 

Rückblick

 

Zootiere an Gourmetrestaurants verkauft

 

Nicht gerne erinnert man sich in Bad Pyrmont an den sogenannten „ Krams-Skandal“, der Anfang der 1980er über den Zoo und die Stadt hereingebrochen war. Der seinerzeit völlig abgewirtschaftete Zoo war 1981 von einem gewissen Horst Krams übernommen worden, der zuvor als Hilfsarbeiter in einem Zirkus, dann als Aushilfskraft bei einem Tierhändler tätig gewesen war. Er bekam den Pachtvertrag, ohne dass er eine fachliche Qualifikation hätte vorweisen können, und obgleich bekannt war, dass er kurze Zeit zuvor wegen Zollhinterziehung - er hatte im Kofferraum seines Autos drei Affen über die holländisch-deutsche Grenze zu schmuggeln versucht - rechtskräftig verurteilt worden war. Sofort nach Amtsantritt begann Krams, aus dem Zoo heraus einen schwunghaften Handel mit teils streng artengeschützten Wildtieren aufzuziehen, die er an andere Tierhändler, aber auch an Präparatoren und Gourmetrestaurants verkaufte. Dem Vernehmen nach brachte er einige der Tiere im Futterschuppen des Zoos eigenhändig um. Obgleich sich die Anzeigen gegen Krams häuften, passierte zunächst überhaupt nichts, Stadtverwaltung, Kreisveterinäramt und Untere Naturschutzbehörde schoben einander die Verantwortung im Kreise herum zu. Erst als die lokale Deister- und Weserzeitung einen großaufgemachten Artikel über die kriminellen Machenschaften im Bad Pyrmonter Zoo veröffentlichte, wurde Krams festgenommen, der, wie es in einem Folgeartikel hieß, als Zoodirektor völlig unangefochten „schachern und schächten, quälen und verstümmeln“ konnte. Krams bekam letztlich Berufsverbot auferlegt und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Der seinerzeitige Eigner des Zoos, der diesen an Krams verpachtet hatte, wollte nichts von dessen kriminellen Aktivitäten gewusst und mitbekommen haben, obgleich er zusammen mit ihm auf dem Zoogelände im selben Haus wohnte. Eine wirkliche Aufarbeitung des Skandals gab es bis heute nicht.

 

Quelle: Deister- und Weserzeitung vom 19.12.1981 / 6.2.1982 / 17.2.1982

 

Colin Goldner

Tierbefreiung, 77, 4/2012

Nachtrag:

 

Der Zoo Bad Pyrmont konnte die Ende 2013 akut drohende Schließung im letzten Moment noch abwenden. Der Betrieb lief, unbeanstandet vom örtlichen Vetrinäramt, wie gewohnt weiter. Erst nach dem Tod des Schimpansen Karlchen Ende 2014 wurde veterinäramtlicher Druck auf den Parkpächter ausgeübt, den verbleibenden Schimpansen Charley abzugeben. Eine Alleinhaltung werde man auf Dauer nicht genehmigen. Im Juni 2015 konnte Charley letztlich den Bad Pyrmonter Zoo verlassen, eine Schimpansen- oder sonstige Menschenaffenhaltung wird es dort nicht mehr geben.

Charleys neues Zuhause

 

Anfang Juni 2015 konnte Schimpanse Charley (45) aus dem Tierpark Bad Pyrmont  in das Wales Ape & Monkey Sanctuary nach Südengland umziehen. Zusammen mit einem weiteren Schimpansen namens Karlchen war er jahrzehnte- lang in einem wenige Quadratmeter großen Betonbunker samt indiskutablem Freiluftkäfig gehalten und zur Schau gestellt worden. Nachdem Karlchen im Dezember 2014 verstorben war, verstieß der Zoo nicht nur der völlig unzulänglichen Gehegegröße und -ausstattung wegen gegen das bundesministerielle Säugetiergutachten, das die Haltung von Wildtieren in Zoos regelt, sondern auch der unzulässigen Alleinhaltung Charleys wegen. Da der Zoo Ende 2013 nur mit Mühe eine drohende Schließung hatte abwenden können, hielt der Betreiber dem massiven öffentlichen Druck, Charley abzugeben, nicht lange stand; zumal ihm der Entzug der Betriebserlaubnis für die gesamte Anlage drohte. Er sah sich letztlich genötigt, nach einem geeigneten Platz für Charley zu suchen. Als einzig realisierbare Möglichkeit bot sich das Wales Ape & Monkey Sanctuary an, in dem derzeit elf aus Zoos oder Zirkussen beschlagnahmte oder abgegebene Schimpansen sowie mehr als 80 andere Affen - Gibbons, Paviane, Mandills, Makaken, Meerkatzen usw. - ein sicheres Zuhause gefunden haben.

 

Die Betreiber des Refugiums holten Charley persönlich in einem entsprechend ausgestatteten und zugelassenen Großraumtransporter ab und brachten ihn 1000km nonstop  nach Wales. Charley schloß schnell Freundschaft mit einem gleichaltigen Schimpansen namens Tubman, Schritt für Schritt wurde und wird er mit den anderen Schimpansen vertraut gemacht. Mitarbeiter des Great Ape Project, die ihn Ende August besuchten, trafen einen agilen und vergnügten Charley an, der nichts mehr gemein hatte mit dem apathisch in einer Ecke herumsitzenden Schimpansen aus Bad Pyrmont. Charley wird seine verbleibenden Lebensjahre in einer großen Schimpansenfamilie zubringen dürfen, sicher vor den Nachstellungen gaffender Zoobesucher und profitgieriger Zoobetreiber. (CG)

 

Tierbefreiung, 89, 12/2015