Lutz Heck
Keine Ehrung für Nazi-Zoodirektor
Für das NS-Regime erfüllten die Zoos eine wichtige Propagandafunktion. Der Berliner Zoo etwa konnte durch eine reich bemessene Geländeschenkung aus preußischem Staatsbesitz – Ministerpräsident
Hermann Göring machte sich persönlich dafür stark – angrenzend an die bestehenden Anlagen einen eigenständigen „Deutschen Zoo“ einrichten. In künstlich geschaffenen Felsgehegen wurden Bären, Wölfe.
Luchse und andere „deutsche“ Tiere gehalten. An einigen der Gehege wurden zur Verdeutlichung des „Deutschtums“ der darin gezeigten Tiere eigens kleine Hakenkreuze angebracht.
Der seit 1931 amtierende Zoodirektor Lutz Heck war überzeugter Nazi gewesen. Seit 1933 war er offizielles Fördermitglied der SS und seit 1937 Mitglied der NSDAP. Er stand in engem freundschaftlichem Kontakt zu Göring, mit dem er seine Leidenschaft für Großwildjagd teilte. Die pseudowissenschaftlichen Experimente, die Lutz Heck zur „Rückzüchtung“ von Auerochsen und Wisenten betrieb (zusammen mit seinem Bruder Heinz Heck, der seit 1928 Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn war), wurden von Göring höchstpersönlich gefördert. 1938 erhielt Lutz Heck anlässlich des „Führergeburtstages“ den Titel eines Professors verliehen, zwei Jahre später wurde er, zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Zoodirektor, zum Leiter der Obersten NS-Naturschutzbehörde ernannt. Darüber hinaus wurden ihm zahlreiche weitere Ehrungen und Preise des NS-Staates zuteil. Unter seiner Ägide wurden jüdische Aktionäre des Zoos gezwungen, ihre Anteile zu Spottpreisen zu verkaufen; ab 1939 wurde Juden der Zutritt zum Zoo verboten
Während Heinz Heck nach dem Krieg unbeanstandet weitermachen konnte - er leitete Hellabrunn bis 1969 -, tauchte Lutz Heck unter. Dem Vernehmen nach betätigte er sich zeitweise für die Catskill Game Farm bei New York, auf der Wildtiere für den Bedarf amerikanischer und europäischer Zoos gezüchtet wurden. Irgendwann Ende der 1960er kam er nach Deutschland zurück und starb 1983. Im Jahr darauf - gleich zu Beginn der Amtszeit von Eberhard Diepgen (CDU) als Regierender Bürgermeister Berlins - wurde zu Ehren von Lutz Heck eine Bronzebüste im Zoo aufgestellt, an der jeden Tag tausende von Besuchern vorbeidefilierten. (Diepgen hat bis heute den Vorsitz einer Förderstiftung des Zoos inne.)
Offener Brief und öffentlicher Druck
Bei einem Recherchebesuch des Zoos im Sommer 2015 entdeckte Colin Goldner die Büste. Er hielt es für skandalös, dass ein führender Nazi wie Lutz Heck eine derartige öffentliche Ehrung erfuhr. Zusammen mit dem gbs-Beiratskollegen Wolfram P. Kastner verfasste er einen „Offenen Brief“ an die Direktion des Zoos, der wortgleich auch an den Regierenden Bürgermeister Berlins, den zuständigen Innensenator sowie die Fraktionen von SPD, B90/Die Grünen, Piraten, Linke und CDU versandt wurde, dazu an ausgewählte Medien, forderten sie, die Büste entweder zu entfernen oder mit einer Hinweistafel zu versehen, aus der die führende Rolle Lutz Hecks im „Dritten Reich“ klar ersichtlich werde. Desgleichen wurde gefordert, dass der mit öffentlichen Mitteln geförderte Zoo Berlin sich entschieden von den Verflechtungen seines ehemaligen Direktors in das verbrecherische NS-Regime distanziert. (vgl. Keine Ehrung für Nazi-Zoodirektor. hpd vom 10.9.2015)
Die Sache wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen (z.B. Berliner Tagesspiegel oder Neues Deutschland vom 17.9.2015) und fand zudem über eine online-Petition Unterstützung namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen Berliner Lebens. Die zuständige Senatsverwaltung beeilte sich daraufhin mitzuteilen, man nehme das Anliegen sehr ernst. Gleichwohl die „im Zoo verortete Büste lediglich der Ehrung von Herrn Professor Dr. Heck in seiner Position als Zoodirektor“ diene, sei der Zoo „sehr daran interessiert, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte voranzutreiben.“ Kurze Zeit später ließ Zoodirektor Knieriem wissen, die Büste werde mit einer Informationstafel versehen, die über die "Beziehung zur Ideologie und Führerschaft des Nationalsozialismus von Lutz Heck informiert".
Tatsächlich wurde am 7.12.2015 eine entsprechende Tafel angebracht, auf der nunmehr zu lesen steht, Lutz Heck habe „sich und den Zoologischen Garten Berlin bereitwillig an den Nationalsozialismus“ angepasst. Auch seine Mitgliedschaften in SS und NSDAP sind vermerkt. Als "Geste der Wiedergutmachung", so Knieriem , solle zudem ein „Berlin-Jerusalem-Fellowship“ für jüdische Studenten eingerichtet werden. Auch eine Ausstellung zur Geschichte des Zoos solle entstehen, in der die Zeit zwischen 1933 und 1945 beleuchtet werde. Entschädigungszahlungen an Nachkommen zwangsenteigneter jüdischer Aktionäre lehnte Knieriem kategorisch ab. Allenfalls könne er sich vorstellen, jüdischen Nachkommen kostenfreien Eintritt in den Zoo zu gewähren.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die geplante Ausstellung Licht wirft auf das besondere Interesse, das die Nazis an den Zoos hatten. Praktisch alle Direktoren und Verwaltungsräte deutscher Zoos waren spätestens seit 1937 Mitglieder der NSDAP und/oder gehörten sonstigen Gliederungen des NS-Staates an, viele in hochrangigen Funktionen. Nach dem Krieg blieb die Mehrzahl der NS-belasteten Zoodirektoren unbeanstandet im Amt. Bei manchen wurde eine kurze Schamfrist eingelegt, dann wurden sie erneut in ihre alten Positionen berufen.
Eine wirkliche Aufarbeitung der Verstrickung der deutschen Zoos in den Nationalsozialismus wurde bis heute nicht vorgenommen (vgl. hier) In den Verlautbarungen heutiger Zoos und Zooverbände wird die Geschichte zwischen 1933 und 1945 entweder komplett verschwiegen oder aber kaschiert und beschönigt. Die NSDAP-Mitgliedschaften der seinerzeitigen Direktoren, Verwaltungsräte und Geldgeber bleiben bis auf wenige Ausnahmen unerwähnt. Der Berliner Zoo hat, wenngleich viel zu spät und keineswegs freiwillig, jetzt einen ersten Schritt gemacht. In dutzenden anderer Zoos - Köln, München, Dresden, Leipzig, Osnabrück, Hamburg u.v.a. - steht dies noch an.
Medienecho
Berliner Zoo will NS-Geschichte in Ausstellung aufarbeiten. in: Focus vom 7.12.2015
NS-Aufarbeitung: Wenn das Flusspferd im Bahnhofsklo übernachtet. in: Die Welt vom 7.12.2015
NS-Diktatur: Der Berliner Zoo stellt sich seiner Nazi-Vergangenheit, in: Tagesspiegel vom 7.12.2015
Berliner Zoo will NS-Geschichte in Ausstellung aufarbeiten. in: Berliner Morgenpost vom 8..12.2015
Berliner Zoo: Die dunkle Seite der Geschichte. in: FAZ vom 8.12.2015
Berliner Zoo stellt sich seiner NS-Vergangenheit. in: Berliner Zeitung vom 8.12.2015
Der Zoo Berlin und die NS-Vergangenheit: Die Ahnen und das Mahnen. in: Potsdamer Neue Nachrichten vom 8.12.2015
Berliner Zoo stellt sich seiner NS-Vergangenheit. in: Rundfunk Berlin-Brandenburg vom 7.12.2015
Berliner Zoo plant Aufarbeitung. in: neues deutschland vom 8.12.2015
Der Zoo stellt sich seinem NS-Erbe. in: taz vom 8.12.2015
Zoo Berlin will seine Nazi-Vergangenheit aufarbeiten. hpd vom 9.12.2015
»Reiner Hohn« für Nazi-Opfer. Der Berliner Zoo hat angekündigt, sich seiner Geschichte im Nationalsozialismus stellen zu wollen. in: neues deutschland vom 18.12.2015
Von Tieren und Nazis: Der Berliner Zoo im Nationalsozialismus. jungle world vom 18.12.2015
Zoo beleuchtet dunkles Kapitel: Neue Auseinandersetzung mit NS-Zwangsarbeit. Berliner Morgenpost vom 29.12.2015
Ausstellungseröffnung
Am 1.12.2016 - mehr als 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur, in die der Zoo Berlin tief verstrickt war - fand eine erste ernstzunehmende Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der Berliner Zoo-Geschichte statt. Im Foyer des Antilopenhauses wurde eine Ausstellung eröffnet, die sich mit der Rolle des Zoos und des seinerzeitigen Direktors Lutz Heck während der NS-Zeit befasst.
Ein erster Schritt, der allerdings keineswegs freiwillig getan wurde: der Zoo wurde durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne der Giordano-Bruno-Stiftung und des Great Ape Project soweit unter Druck gesetzt, dass er zum einen eine im Zoo aufgestellte Ehrenbüste für Lutz Heck mit einem Hinweis auf dessen führende Funktion im NS-Staat versehen und zum anderen sich zu besagter Dauerausstellung verpflichten musste.
Weder in der Presseverlautbarung des Zoos noch in den Medienberichten um deren Eröffnung wird erwähnt, dass die Auseinandersetzung des Zoos mit seiner unheilvollen Geschichte erst auf massiven Druck von außen hin zustande kam. Vielmehr wird Zoodirektor Knieriem für seine "schonungslose Offenheit" im Umgang mit der NS-Vergangenheit des Zoos belobigt.
Medienecho
Der Berliner Zoo hat damals "Schande über sich gebracht". in: rbb-online vom 1.12.2016
Als Görings Freund den Berliner Zoo auf Linie des Nazi-Regimes brachte. in: Berliner Zeitung vom 1.12.2016
Zwangsarbeit und Enteignung: Der Berliner Zoo unterm Hakenkreuz. in: Berliner Kurier vom 1.12.2016
Die dunkle Seite des Berliner Zoos. in: Märkische Allgemeine vom 1.12.2016