Tierpark Gettorf

Spucken und Kotwerfen

 

Tierpark Gettorf

 

Der Tierpark Gettorf, eröffnet im Jahre 1968 in der schleswig-holsteinischen Provinz (zwischen Kiel und Eckernförde), ging aus der in den 1950ern begründeten privaten Tiersammlung des ortsansässigen Mineralölspediteurs Karl-Heinz Bumann (1929-2011) hervor. Neben seiner Sammelleidenschaft für exotische Wildtiere unterhielt Bumann seit Ende der 1950er auch eine private Ponyzucht („Ponygestüt Holstein“), die er letztlich zur deutschlandweit größten ihrer Art ausbaute. Beide Betriebe werden bis heute als privatwirtschaftliche Familienunternehmen fortgeführt, seit dem Tod des Begründers von dessen Sohn. Bumann-Ponys (sogenannte „Sportponys“) werden seit je im „Reit- und Fahrsport“ eingesetzt.

 

Im Tierpark Gettorf werden auf einer stetig erweiterten Fläche von mittlerweile knapp acht Hektar derzeit etwa 850 Tiere aus 150 verschiedenen Arten gehalten, der Schwerpunkt liegt seit je auf der Haltung von Affen und Papageien. Auf Raubtiere, Greifvögel und Schlangen, so Familie Bumann, werde bewußt verzichtet, um den Besuchern einen „friedlichen Eindruck der Natur“ zu vermitteln. Über die Besucherzahlen wird nichts verlautbart.

 

In einer Vielzahl an Käfigen und Volieren sowie zwei begehbaren „Tropenhallen“ werden Vogelexoten jedweder Art gezeigt, darunter Hornvögel, Aras, Kakadus oder Felsensittiche, aber auch Balistare, Honigfresser, Turakos und zahllose andere Star-, Kiebitz- und Sperlingsvögel.

 

In einer weiteren Vielzahl an Gehegen und Käfigen werden Alt- und Neuweltaffen gezeigt: Meerkatzen, Sakis, Tamarine, Liszt- und Totenkopfaffen, dazu Berberaffen, Gibbons, Kattas, Varis und viele andere mehr. In einer eigenen Käfiganlage sind drei Schimpansen untergebracht.

 

Neben den Vogel- und Affenanlagen, die den Park dominieren, finden sich eine Afrika- (Antilopen, Zebras, Zwergzebus), eine Australien- (Emus, Wallabys) sowie eine Südamerikaanlage (Nandus, Tapire Wasserschweine); hinzu kommt eine Anlage für europäische Haustiere (Haushühner, Haustauben, Kaninchen, Schafe usw.) sowie ein eigener „Streichelzoo“ (Zwergziegen, Kamerunschafe, Zwergesel). Überzählige Tiere der Haustierabteilung werden auch zum Verkauf angeboten

 

Für Kinder gibt es zwei weitläufige Spielplätze, dazu das sogenannte „Verrückte Haus“ (ein normales Wohnhaus, das samt Fundament „auf dem Kopf“ gestellt wurde) mit geisterbahnähnlichem „Knochenklapperkabinett“. Im Eingangsbereich des Zoos befindet sich eine Reithalle, in der Kinder und Erwachsene auf den Bumannschen „Sportponys“ reiten können.

 

Die hauseigene Zooschule bietet das übliche Führungs- und Projektunterrichts- programm für Schulklassen und sonstige Gruppen jedweder Altersstufe. Darüberhinaus gibt es eine Vielzahl eigenständiger Veranstaltungen (Wikinger- oder Mittelaltertage, Wild- und Jagdtage, Halloweenparties etc., jährlich findet auch ein „Oldtimertag“ mit Live-Jazzmusik statt.); selbstredend werden Geburtstagsfeiern im Zoo ausgerichtet, zudem stehen Picknickplätze, ein eigener Grillplatz sowie ein Café-Restaurant zur Verfügung.

 

Der Tierpark Gettorf macht einen insgesamt eher „heruntergekommenen“ Eindruck: an der Mehrzahl der Vogel- und Affenanlagen scheint seit den Gründertagen des Zoos nichts instandgehalten oder renoviert worden zu sein. Die Tiere werden in teils winzigen Käfigen und Verschlägen gehalten, die Unterbringung etwa der Sakis, Tamarine oder Makaken ist alleine schon aus Tierschutzgründen indiskutabel. 

Den drei in Gettorf gehaltenen Schimpansen stehen zwei voneinander getrennte Drahtgitterkäfige zur Verfügung, die durch eine von beiden Käfigen aus zugängige Versorgungsbaracke miteinander verbunden sind. Der an der Vorderseite der Baracke liegende kleinere der beiden Käfige weist eine Höhe von 4 Metern und eine Grundfläche von etwa 50qm auf. Offenkundig noch aus der Gründerzeit des Parks stammend ist er lediglich mit ein paar aufgehängten Seilen, einem Totholzstamm sowie einem am Boden montierten Drehgestell mit aufgesetztem LKW-Reifen ausgestattet, weiteres Spiel- oder Beschäftigungsmaterial gibt es nicht. Die Bemalung der Rückwand mit einem Savannenmotiv erscheint angesichts der schieren Trostlosigkeit der Anlage als reiner Zynismus. (Nachtrag: Mittlerweile wurde der kleinere der beiden Käfige "eingeglast", nach wie vor aber ist direkter Kontakt zu den Tieren möglich. [4/15])

 

In der allenfalls dreieinhalb Meter hohen Versorgungsbaracke befinden sich die „Innengehege“ der Schimpansen, in denen sie nachtsüber sowie bei ungünstiger Witterung untergebracht sind; sie ist für die Parkbesucher weder zugängig noch einsehbar.

 

An der Rückseite der Baracke wurde in jüngerer Zeit ein zusätzlicher Außenkäfig mit einer Höhe von etwa 5 Metern und einer Grundfläche von etwa 200qm errichtet, der ebenso wie der vordere Käfig außer ein paar Kletterseilen, einem Totholzstamm und ein paar Autoreifen keinerlei Spiel- oder Beschäftigungsmaterial aufweist. Keiner der beiden Käfige bietet den Tieren eine Rückzugs- oder Versteckmöglichkeit, es steht ihnen lediglich zur Wahl, sich entweder in dem vorderen oder dem hinteren Käfig aufzuhalten. (Man mag sich kaum ausmalen, wie die Haltungsverhältnisse vor dem Bau des vergleichsweise großzügig bemessenen zweiten Außenkäfigs aussahen, der im Gegensatz zu dem kleineren Käfig an der Vorderseite der Baracke wenigstens mit Grasboden ausgestattet ist.) Dem größeren der beiden Käfige unmittelbar vorgelagert findet sich eine aufblasbare Kinderhüpfanlage:die Schimpansen müssen dem Gehüpfe der Kinder zusehen, während sie selbst keinerlei Spiel- oder Beschäftigungs- möglichkeit haben. 

 

Die drei Gettorfer Schimpansen, allesamt sogenannte „Handaufzuchten“, weisen Symptome schwerer psychischer Störungen auf, die indes von der Zooleitung ganz offenbar nicht als solche erkannt werden. Zu den selbst dem Laien ins Auge springenden Verhaltensauffälligkeiten der aus dem Leintalzoo Schwaigern (siehe Tierbefreiung 2/2012) stammenden Schimpansin Nicki (27) heißt es etwa lapidar: „Sie neigt zu starken Stimmungsschwankungen. Ohne für uns ersichtlichen Grund schlägt ihre Friedlichkeit in laut kreischende Hysterie um“. Auch der Umstand, dass die beiden anderen Tiere, Bibi (27) und Chico (34), die Besucher bespucken bzw. in hyperaggressiven Ausbrüchen mit Sand oder Kot bewerfen, wird als simples Imponierverhalten verharmlost. Über die primatologische oder sonstig zoologische Fachkenntnis der Familie Bumann konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.

 

Colin Goldner

Tierbefreiung, #79, Juli 2013